Ankommen

Seit nun bald drei Monaten sind wir in unserem neuen Zuhause. Der Umzug mit vier Kindern war eine emotionale, physische und organisatorische Höchstleistung und hat fast meine gesamte Energie beansprucht. Nun ist alles aus- und eingeräumt, wir finden uns immer besser zurecht und schlagen vorsichtig neue Wurzeln. Doch das Ankommen ist ein andauernder Prozess. Ich lerne neue Menschen kennen, entdecke neue Orte und etabliere neue Rhythmen. So ein Neubeginn ist etwas Schönes und gibt viel Gestaltungsfreiheit. Gleichzeitig birgt er Herausforderungen, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Einmal mehr wird mir klar, wie wenig Unterstützung wir in unserer Gesellschaft für Lebensübergänge geben. Wie wenig wir die natürlichen Rhythmen von Wachsen und Sterben bewusst begleiten.
Zum Loslassen kenne ich inzwischen einige Rituale, aber zum Ankommen? Wie gehe ich mit dem Vermissen der bekannten Räume und Menschen um? Oder mit dem sich überall einwebenden Gefühl der Unsicherheit? Wie begegne ich dem (noch) nicht Dazuzugehören? Am liebsten hätte ich schon innere Ruhe und Sicherheit und möchte möglichst schnell alles regeln. Doch Seele und Körper brauchen Zeit, um richtig anzukommen. In allen Veränderungsprozessen gibt es diesen Graubereich, wenn das Alte schon weg und das Neue noch nicht ganz hier ist. Das gilt es auszuhalten und nicht zu schnell nach vermeintlicher Sicherheit suchen. So versuche ich, alle die «ersten Male» bewusst zu gestalten und mich darüber zu freuen. Unsere Anpassungsfähigkeit ist nämlich viel grösser, als wir es ihr im Alltagstrott so zumuten. Ich übe mich darin, in diesem Übergang besonders mild mit mir selbst zu sein. Es muss nicht alles ruhig, schön und friedlich sein. Das vermeintliche Chaos vom Neubeginn setzt auch Lebenskräfte und Energie frei.